Zum Gästebuch

Startseite

Über die Autorin

Gedichte

Romane

Texte

Kurzgeschichten

Songtexte

Neues:

Unser Buch

Schwer

Sie

Wir II

 

Button
Banner

Nightbite

Prolog | Kapitel 1 | Kapitel 2 | ...diese Story wird nicht fortgeführt

Prolog

Wir schreiben das Jahr 1858, das Jahr, in dem ich noch etwas war, was man als „normal“ anerkennen könnte. Damals war ich fünfzehn und arbeitete an einem Theater in New Orleans. Heute sollte die Uraufführung des Stücks „Die stumme Lügnerin“ aufgeführt werden und ich spielte eine der Hauptrollen. Zum Glück nicht die stumme Lügnerin, sondern ihre Magd, die Böse in der gesamten Geschichte, bis sie am Ende am Galgen endete. Als das Orchester anfing zu spielen, wünschte ich, ich könnte meine Schwester sehen, die als erste Geige dort unten spielte und spielte und niemand wusste, dass sie da war. Doch dann ging der Vorhang auf und das Stück begann…

 

Auf der Bühne sieht man die Kulisse eines Schlafzimmers, ein Himmelbett mit rosaroten Vorhängen ziert die Mitte des Raumes und eine Frau mittleren Alters, mit blondem, wunderschönem und langem Haar sitzt vor dem Spiegel in der hintersten Ecke des Raumes, während sie im Takt der Orchestermelodie, die langsam verklingt, immer wieder die golden verzierte Bürste über ihr Haar gleiten lässt. Hinter der Bühne stehe ich, gehe stumm den Text durch, den ich gleich sagen werde und betrete den Raum. Ein schlichtes rotes Kleid ziert meinen blassen Körper. Die weißen, welligen Haare offen, sodass man mein ernstes Gesicht nicht zu sehen vermag. Bis über den Rücken reichen sie mir und die Farbe ist, so hat mir ein Arzt es erklärt, ein Fluch von längst vergangenen Zeiten. An so etwas glaube ich nicht, denn ich denke eher, dass es ganz gewöhnlich ist, weiße Haare zu haben. Ich meine, es gibt doch auch Leute mit roten Haaren, oder? Das ist doch dann nicht gleich das Werk eines Teufels! „Verzeiht Madame…“, setze ich mit betont leiser Stimme an, sodass auch das letzte Getuschel im Publikum erstirbt. Alle Aufmerksamkeit liegt bei mir, dazu musste ich nicht ins Publikum blicken. Mit langsamen Schritten bewege ich mich auf die Gestalt vor dem Spiegel zu, deren Augen mit aus ihrem Spiegelbild entgegen blicken. „Eure Kutsche steht bereit“, ende ich dann. Hastig und nervös nickt die Frau und legt mit einer schnellen Handbewegung die Bürste zurück in die Schatulle auf dem Tisch. „Lasst, ich werde abschließen“, sagte ich, als sie den Schlüssel vom Schrank nehmen wollte, um die Schatulle zu verschließen. Dankend nickte sie und verließ den Raum. Als sie verschwunden war, schwang ich den Kopf Richtung Publikum, sodass meine Haare nun endlich mein Gesicht freigaben. Meine grünen Augen und der wahnsinnige Ausdruck in meinem Gesicht waren wohl die Ursache für einige erschrockene Gesichtsausdrücke, die ich im Dunkeln nur erahnen konnte.

 

Mit wenigen Bewegungen saß ich auf dem Stuhl, auf dem eben noch meine Herrin gesessen hatte und langte mit der linken Hand vorsichtig in die Schatulle, die so unachtsam dastand, als hätte sie jemand vergessen. Was ich suchte fand ich schnell: Einen Siegelring, in dem ein Wappen eingraviert war, was die Menschen im Publikum selbstverständlich nicht erkennen konnten, wohl aber meine Wenigkeit. Galant griff ich den Ausschnitt meines Kleides und zog einen Briefumschlag heraus, der sogleich auf dem Tisch landete und mit etwas Kerzenwachs und dem Siegelring verschlossen wurde…

 

So ging die Geschichte weiter, das Ende könnt ihr euch ausdenken, denn hier ist kein Platz mehr um das alles zu erzählen. Denn davon handelt diese Geschichte hier keineswegs. Vielmehr handelt sie von dem, was etwa hundertfünfzig Jahre später passierte. Zuvor jedoch, kommen wir zum Ende des Stücks…

 

Als der Strick meinen Hals berührt, blicken meine Augen noch einmal zum Publikum und blitzen wütend auf. „Ich komme zurück… denn ich sterbe nie!“, sagte ich höhnisch und gerade so laut, dass auch die letzte Reihe es verstehen konnte. Dann zog sich das Hanfseil an meinem Genick fest und ein entsetzliches Knacken war zu hören. Dann ging das Licht auf der Bühne aus und der Vorhang schloss sich langsam. Als nur noch der Galgen zu sehen war, an dem meine Gestalt zu erkennen war, stoppte der Vorhand und man sah deutlich, wie meine Hand an den Strick griff. Dann schloss sich der Vorhang und das Stück war vorbei…

Wenige Minuten später stand ich abgeschminkt und in gewöhnliche Sachen gekleidet auf der Straße. Sie war dreckig und der Saum meines Rockes hatte bereits einiges von diesem Dreck abbekommen, doch das kümmerte mich im Moment nicht. Hastig überquerte ich die Straße, doch dann passierte alles wie in Zeitlupe. Pferdegetrampel hörend fuhr ich herum und erkannte das schwarze Fell eines Rappen direkt vor mir. Dann spürte ich wie eine eiskalte Hand mich packte. Unfähig zu schreien versuchte ich mich zu wehren, doch das Pferd hielt nicht an und der Reiter ließ nicht los. Ich war ihm hoffnungslos ausgeliefert.

Mitten im Wald, soviel konnte ich erkennen, stoppte das Pferd. Es blähte die Nüstern und trabte davon, während ich, halb ohnmächtig, in einen dunklen Raum geschleppt wurde. Scheinbar eine Hütte oder so etwas in der Art. Nirgendwo schien es Licht zu geben und plötzlich spürte ich einen kalten Hauch an meinem Hals. Das Letzte, an was ich mich erinnern kann, war etwas warmes, das an meinem Hals hinab lief. Dann… ja, dann war ich tot.