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Meine Freunde, mein Leben und ich
oder: “Wenn du ich wärst, wer wärst du dann?

Vorwort |Kapitel 1 | Kapitel 2 | Kapitel 3 | Kapitel 4 | Kapitel 5 | Kapitel 6 | Kapitel 7 | Kapitel 8 | Kapitel 9 | Epilog

Kapitel 5

Ich sollte aufpassen, was ich sage

Ohne meinen MP3-Player verließ ich eigentlich nie das Haus. Es sei denn ich war unter Menschen, aber heute fuhr ich allein mit dem Zug und Alleinsein bedeutete, dass man mit seinen Gedanken auf der Reise war. Und das wollte ich heute auf jeden Fall verhindern. Fee und Yuki wussten ja bereits von dem Drama, das sich in meinem Herzen abspielte. Aber Jen musste ich es natürlich auch noch auf die Nase binden. Aber zunächst, während ich im Zug sitze, hier ein paar Informationen über die dritte Freundin im Bunde:

Jen ist fünf Monate älter als ich und somit meine älteste (im Sinne vom Alter, nicht von dem Zeitpunkt aus gesehen, seit dem wir uns kennen) Freundin. Zugleich kenn ich sie erst am kürzesten. In der sechsten Klasse kam sie auf unsere Schule und somit auch in meine Klasse. Dort hatten wir keinen richtigen Draht zueinander, ich hing mit den falschen Leuten rum und vertraute den Coolen, statt den Neuen in der Klasse. Dazu sie gesagt, dass Jen in einer Patchwork-Familie lebt… sehr komplizierte Verhältnisse, die ich nicht erklären muss und will. Doch sie kam mit ihrer Stiefschwester Lisa zu uns in die Klasse. Beide eher eine ruhige Ausgabe der Spezies Mensch und daher schob ich sie ihn Gedanken gleich beiseite. Ab der siebten oder achten Klasse jedoch wurden wir gute Freund – und sind es immer noch. Sie hat (meiner Meinung nach) rotbraune Haare und hat Diabetes. Dazu ist sie vielleicht ein wenig untersetzter als der durchschnittliche Mensch, aber ich finde gerade das macht sie niedlich. Übrigens ist sie kleiner als ich. Hehe. Stolz.

„Nächste Station: Au (Sieg)“. Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und stand von meinem Sitz auf. Ich war ein Mensch, der ständig Angst hatte zu spät zu kommen, den Zug zu verpassen oder gar die nächste Haltestation zu verpennen, obwohl der Zug nun wirklich lange genug stehen blieb. Mit anderen Worten: Ich war unsicher, als alle anderen dachten. Sogar meinen Freundinnen gegenüber überspielte ich diese Unsicherheit für gewöhnlich, obwohl diese sehr wohl wussten, dass ich lieber zu früh als zu spät los ging. Allmählich Routine… Als der Zug anhielt stieg ich aus und sah mich auf dem Gleis um. Als ich Jen erblickte rannte ich auf sie zu und schloss sie in die Arme. Übrigens hatte ich die gestern erst gekaufte Gitarre mitgenommen. Wir beide pflegten nach wie vor ein eher distanziertes Verhältnis zueinander, aber allmählich bauten wir eine gewisse Freundschaft auf… wenn auch langsam. Langsam aber stetig. Zugegeben, wir waren etwas kühl zueinander und ich behandelte das arme Ding recht rau und unvorsichtig, aber was nimmt man nicht alles in Kauf um mit mir befreundet zu sein? Ähm ja, genug geprotzt…

 

Jennys Mutter fuhr uns nach Hause. Ihr fragt euch sicherlich, wieso ich mit dem Zug fahren musste und Jen trotzdem auf meine Schule ging? Wen von euch wird es überraschen, dass auch ihre Eltern getrennt voneinander leben… hm? Ich erwähnte doch vorhin die Patchwork-Familie! Habt ihr etwa nicht richtig mitgelesen? Vielleicht lag es ja an mir, dass alle Eltern meiner Freundinnen getrennt lebten – oder sich trennen wollten? Natürlich. Im Moment würde ich vermutlich so gut wie alles auf mich abschieben, einfach nur um mich schlecht zu machen!

Im Auto roch es nach Hund. Ich hatte nichts gegen Tiere. Johnny habt ihr ja schon kennengelernt. Auch zu ihm habe ich ein distanziertes Verhältnis, doch das beruht eher auf der Tatsache, dass ich lieber Dusche als mich von einem Hund sauber lecken zu lassen. Doch der Geruch von Hund… das war nicht meins. Gut, dass die Fahrt nicht allzu lang war. Jennys Mutter kannte ich noch nicht lange, deshalb konnte ich sie nicht gut einschätzen. Sie nahm oft Pflegekinder bei sich auf, weshalb Jenny dauernd etwas zu erzählen hatte, wenn sie alle zwei Wochen bei ihrer Mutter gewesen war. Ansonsten, so behauptet sie, sei ihr Leben langweilig und eintönig… Bei ihrer Mutter durfte sie an den Computer, dort teilte sie sich mit ihrer Schwester und ihrem Bruder einen PC, doch das war besser als bei ihr daheim, wo sie grundsätzlich die Werktage zubrachte, in denen sie für die Schule lernen und Hausaufgaben machen musste. Daheim hatten sie begrenzte Computer- und Internetzeiten eingerichtet bekommen. Zwar hatte ich Jenny bereits angeboten das Programm zu hacken oder so… aber sie hatte dankend (und lachend, was ich gar nicht verstehen kann) abgelehnt. Und nun, liebe Eltern von Jenny – vielmehr lieber Vater von Jenny und liebe Mutter von Lisa (Jens Stiefschwester, ihr erinnert euch?): Wir leben im 21. Jahrhundert, in der Schule gibt es Laptopklassen und Computerräume. Demnach auch sehr viele Präsentationen und Hausaufgaben, die am PC zu erledigen sind. Wo bleibt da die Freizeit am Computer?

Zugegeben: Vermutlich war genau das von den Erziehungsberechtigten beabsichtigt gewesen, als sie die Sperrzeiten eingerichtet hatten… aber für jemanden wie mich, der grundsätzlich neben seinen sechs Haupthobbys (Singen, Lesen, Schreiben, RPG’n, Gitarre und Theater spielen), die allesamt sehr zeitaufwendig waren, nur am PC saß, der verstand so was vermutlich nicht. Übrigens: RPG’n bedeutet in meinen Hobbys: Forenrollenspiele. Wer nicht weiß, was das ist, der soll es googeln.

 

Bei Jenny daheim angekommen verdrückten wir uns direkt in ihr Zimmer (wir mussten über Shiva, den Hund steigen… ein sehr großer Hund…), denn während der Fahrt wollte ich ganz sicher nicht über die Beziehungsprobleme einer Jugendlichen wie mir reden. Und ganz sicher nicht vor den Ohren ihrer Mutter, die dann gerne mitsprach. In Jennys Gegenwart hatte sie mal gesagt: „Im Fernsehen läuft ein toller Liebesfilm, wenn du die erste Liebe schon nicht selbst erlebst, kannst du sie dir ja wenigstens ansehen!“. Ja, sonst sind die Eltern meiner Freunde ganz gewöhnlich, aber so sind Eltern nun mal. Vermutlich werden Yuki, Fee, Jen und ich später ganz genau so sein. Nur werden wir Anti-Aging Cremes haben, mit denen wir einfach toller und hübscher sein werden als unsere Eltern. Und wenn wir alt sind wird es ein Produkt geben, das Haarausfall verhindert! So müssen die Väter unserer zukünftigen Kinder nicht die Haare von hinten nach vorne über die kahle Stelle auf ihrem Kopf kämmen… ihr wisst sicher was ich meine… Ach ja, zukünftige Kinder!
Ich hatte mich auf Jennys Bett gesetzt, sie auf ihren Schreibtischstuhl und hatte begonnen zu erzählen: „Ich hab ihn eben gefragt, ob er jetzt was von mir will oder nicht“, sagte ich sachlich. „Und er meinte: Nein, ich will im Moment keine Beziehung… und nachdem ich ihn ausgequetscht hab, hat er mir auch gesagt wieso“. Dann schwieg ich und Jen bedeutete mit weiter zu erzählen. Ich grinste verschlagen und spannte sie nicht länger auf die Folter. Ganz egal ob dieses Interesse geheuchelt war oder nicht – es gab mir wenigstens das Gefühl, wichtig zu sein. „Seine letzte Freundin hat sich wohl nach einem Jahr von ihm getrennt oder so und das hat ihn halt sehr verletzt… aber… naja dann hab ich gefragt: Was wäre denn, wenn sie nicht gewesen wäre“. Nun wirkte sie wirklich interessiert und ich sah sie hoffnungsvoll an. „Er nur so: Es soll ja das Größte für euch Mädchen sein, wenn ihr euch das fantasieren könnt“, ich lächelte milde. Jenny seufzte hörbar. „Was für ein Arsch, der soll sagen was er von dir denkt!“. Ich grinste und nickte. Ja, das sollte er wirklich. „Aber ich glaube schon, dass er dich eigentlich mag. Nur kann er halt noch nicht, weil er erst mal sein Herz wieder zusammenflicken muss“. Ich hob eine Augenbraue, hatte da jemand zu viele Liebesromanzen gesehen? „Jaaa…“, erwiderte ich langatmig und meine Augenbrauen wanderten beide noch weiter nach oben. Und weiter, und weiter… schließlich verließen sie mein Gesicht und stupsten die Zimmerdecke an… huch, nein, das geht zu weit. Meine Freundin kratzte sich verlegen am Kopf und sah mich schief grinsend an. „Aber sonst geht’s?“, fragte ich und ließ die Augenbrauen wieder sinken. „Ich meine, er braucht Zeit“, berichtigte Jen ihre kitschige Ausdrucksweise. Zufrieden nickte ich. Zumindest halb zufrieden. „Oh ja, du weißt ja wie geduldig ich bin“, meinte ich gequält und sah sie zweifelnd an. Sie setzte sich neben mich und klopfte mir auf die Schulter. „Du schaffst das schon“.

Plötzlich ging die Zimmertür auf und ein kleiner, blonder Junge, sowie ein braunhaariges Mädchen, das so groß war wie Jenny stürzten hinein. Jen teilte sich ein Zimmer mit ihren beiden Geschwistern, das war also völlig normal.

 

Nach einem Rundgang durch das frisch renovierte Haus, in dem zuvor ein Fliesenleger gewohnt hatte (im Badezimmer hatte er offenbar Resteverwertung gespielt), saßen wir im Wohnzimmer auf dem Boden und unterhielten uns.

- „Ich kenn deine Eltern ja nicht, aber ich glaub die sind echt locker“, meinte Caro, Jennys Schwester staunend, nachdem ich erzählt hatte, dass ich stundenlang vorm Computer sitzen durfte.

- „Sind sie, glaub mir!“, bestätigte Jenny.

- „Ich mag Kekse!“, sagte Juli. Sehr produktiver Beitrag zum Thema.

- „Na, wenn ihr meint“, sagte ich schlicht und sah sie zweifelnd an. Beide nickten zustimmend und auch Juli, der meiner Meinung nach nicht wirklich etwas verstand nickte eifrig.

- „Also ich kenn ja deinen Vater und deine Mutter. Dein Vater ist voll nett aber ich weiß nicht, deine Mutter ist bescheuert, die ist immer so komisch“, sagte ich lachend und alle anderen lachten hysterisch… merkwürdig, was war denn lo-

- „Wollt ihr was trinken?“, fragte Jennys Mutter, die soeben den Raum betreten hatte. Aus irgendeinem Grund wusste ich, dass sie gerade genau mitbekommen hatte, was ich zuvor sagte und deshalb schlug ich mir beide Hände vors Gesicht und wollte im Erdboden versinken. Ich saß mit dem Rücken zur Tür… wie hätte ich das wissen können? Jenny, Caro und Juli, der Kekse verlangte, bedachte ich mit einem Blick der sagte: „Könnt ihr mich nicht warnen?“, ehe ich mich umdrehte und gequält lächelte. „Sorry…?“, versuchte ich, doch Jennys Mutter lächelte nur und sagte: „Ach was, du entschuldigst dich einfach gleich richtig und sagt was du falsch gemacht hast und dann ist alles wieder okay“.

 

Ich schüttelte Jenny und Caro abwechselnd an den Schultern: „Argh. Ich – kann – nie – wieder – herkommen!“, meinte ich. Juli wollte ich nicht durchschütteln. Der krümelte. Entschuldigend sahen beide mich an, doch ich hätte lieber den Fußboden geschrubbt, als mich bei Jennys Mutter zu entschuldigen. Was sie verlangte klang wie eine Rede, die ich vorzubereiten hatte – bis zum Abendessen! Oh ja, sie hatte sogar eine Frist gesetzt! Und danach würde ich den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen werden… „Halt nein, erst würde ich in eine bodenlose Schlucht geworfen werden, die mit Wasser gefüllt wird und dann…“ – Jenny unterbrach mich: „Eine bodenlose Schlucht kann man nicht mit Wasser füllen und was redest du überhaupt?“, fragte sie kichernd. Ich wurde augenblicklich rot. „Hab ich das laut gesagt?“, fragte ich und Caro und Jenny nickten zustimmend. „Keks?“, fragte Juli. Doch ich stöhnte nur verzweifelt.

Bis zum Abendessen überlegte ich mir genau, was ich sagen würde. Normalerweise galt ich, wenn ich mit Jenny beispielsweise eine Präsentation für die Schule vorbereitete, als das Formulierungstalent. Heute fehlte mir der Grundwortschatz meines Vokabulars. Alles war völlig ausgelöscht und ich fragte mich, wie ich Jennys Mutter je wieder unter die Augen treten sollte.

„Es tut mir Leid, dass ich das Wort „bescheuert“ benutzt habe, das rutscht einem schon mal so raus, wenn man unter Gleichaltrigen“…und Keksfressern… „ist“, endete ich. Dann fügte ich hastig hinzu: „Ich meinte eher: Anders“. Ich versuchte selbstbewusst zu lächeln und erstaunlicherweise klappte das ganz gut. Offenbar konnte ich doch ganz gut schauspielern, denn eigentlich fühlte ich mich besch… bescheiden. Nachdem das geklärt war und Jennys Mutter noch irgendetwas sagte, machte ich mich über das Essen her. Ich wollte nur noch weg und zwar unter die Erde, so weit wie möglich!

Nach dem Essen verdrückten wir uns sofort wieder in Jennys, Caros und das Zimmer des Krümelmonsters. Dort spielte ich noch etwas auf der Gitarre und trällerte ein wenig vor mich hin. Ich traute mich zu singen, ja, aber ob es gut klang oder nicht, das wusste ich nicht. Schlecht war es nicht, aber vermutlich auch nicht überwältigend. Ne Gesangskarriere starten würde ich damit nicht.

 

Die Zugfahrt nach Hause bestritt ich ohne MP3-Player. Ich hatte ihn irgendwo in meiner Gitarrentasche verstaut und nicht das Bedürfnis ihn raus zu holen. Stattdessen schickte ich meine Gedanken auf eine Reise, die ins Nichts führte. Mein Leben war ein einziger Fettnäpfchenwettlauf. Eine Panne nach der anderen und lauter Steine, die mir in den Weg gelegt wurden – die meisten von mir selber. Auch wenn ich nur zu gerne nach der Devise leben würde: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen!“ Es klappte nicht. Stattdessen machte ich einen Fehler nach dem anderen. Hielt es für selbstverständlich, dass mir die Liebe in den Schoß fiel, achtete nicht auf das, was ich sagte, hatte kein Bild mehr von dem was ich konnte und was nicht… und im Grunde genommen lebte ich nicht das Bild, das andere von mir hatten. Nach außen hin war ich die selbstbewusste, starke Mary, die vor Kreativität und Einfallsreichtum nur so sprühte. Doch momentan fühlte ich mich leer. Freundinnen, die getröstet werden wollten, und die das allemal verdient hatten, denn sie waren die besten Freunde der Welt, die ich eigentlich gar nicht verdient hatte. Und in Wirklichkeit konnte ich nicht trösten, ich versuche es nur, so wie ich alles versuche und schaffe vielleicht viel. Doch alles nur halb. Ich bringe nie etwas zu Ende. Es fällt mir schwer mit Dingen anzufangen…

Angestrengt versuchte ich das Wirrwarr in meinem Kopf zu ordnen und strukturiert zu denken. Wer war ich überhaupt? Was war ich? Was machte mich überhaupt aus?


Zuhause an meinem Computer setzte ich mich an die Tastatur. „Wer bin ich eigentlich? Ich versuche momentan zu leben, wie es Albert Einstein bereits sagte: „Die Vergangenheit interessiert mich nicht, viel mehr interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben!“. Doch das klappt nicht… Nicht wirklich. Ich denke ich bin wie so manch einer auf der Suche nach dem eigenen Ich. Aber was kann ich schon? Ich bin mies im Mitfühlen mit anderen, wahnsinnig ungeduldig und meistens viel zu laut. Außerdem sage ich jedem die Meinung, immer und überall, ob das nun angebracht ist oder nicht. Und ganz abgesehen davon, ob es den oder die Betroffene interessiert. Meine Toleranzgrenze ist im Gegensatz dazu verdammt niedrig und ich kann ganz schlecht einstecken… dazu nerve ich sicherlich alle mit meinen Gefühlsschwankungen – auch wenn ich es ja auf meine Hormone abschieben kann. Ich versuche alles durchzusetzen, was ich für richtig halte und lasse mich nur schwer von anderen Meinungen überzeugen. Außerdem bin ich stinkfaul, kommandiere sogar meine Freundinnen unbewusst herum und... was logisches Denken angeht bin ich total untalentiert. Ich kann mit Physik, Chemie und Mathe nicht anfangen, hirnlose Ballerspiele find ich aber genauso doof (wobei, zugegeben: Ein mittelgroßer Prozentsatz der Amokläufer spielen Ballerspiele, 100% essen Brot!). Ich kann Kletten nicht leiden, also Menschen, die einem ständig hinterherlaufen. Ich sehe es als selbstverständlich an, sich nicht unterdrücken zu lassen und nach dem eigenen, freien Willen zu leben. Ach ja, Menschen die Dauerzocker sind und Menschen die stundenlang vorm Spiegel stehen (gut: Eine Stunde: Okay. Zwei Stunden: Im Rahmen. Aber bei Eitelkeit hört meine Geduld wirklich auf!).

Und ich hasse Kaffee…“.

Ich seufzte und rieb mir die Schläfen. Das war anstrengender als ich dachte, aber es schaffte neben der Depressivität auch ein wenig Klarheit. Mein Leben war wirklich weit über den Rand des Abgrunds hinaus gelaufen. Ich schüttelte den Kopf und tippte weiter. Wozu? Schreiben half mir immer, mein Leben zu ordnen. Meistens waren es Gedichte oder Geschichten, aber keine Selbstbiografien. Heute machte ich eben eine Ausnahme.

„Eigentlich bin ich sehr unsicher und trotzdem selbstbewusst. Es kommt auf die Situation an. Zu 100% sicher bin ich mir nie, egal ob es um etwas geht, was ich gut kann oder nicht. Ich habe ständig Angst davor etwas falsch zu machen, obwohl ich kein Perfektionist bin“.

Fertig. Das war ich also. Ein Faulpelz, ein Nichtsnutz. Grandios.

Genervt schaltete ich meinen Computer aus und speicherte das Dokument irgendwo in den Tiefen meines PCs ab. Vermutlich würde es mir nie wieder über den Weg laufen. Bevor ich den PC jedoch herunterfuhr begegnete mir eine Datei auf meinem Desktop: „Bitte ausdrucken und verteilen“. Wütend beförderte ich die Datei in den Papierkorb und entleerte diesen gleich darauf. Ich wollte irgendwo gegen schlagen und bereute zutiefst, dass ich meinen Weihnachtswunsch nach einem Boxsack nicht durchgesetzt hatte.

Es war erst zehn Uhr und in den Ferien wagte ich es nicht vor zwölf ins Bett zu gehen. Dafür schlief ich auch bis in den Vormittag hinein, doch das kümmerte in meiner Familie eigentlich niemanden. Entgegen meiner eigentlichen Devise legte ich mich dennoch ins Bett, nachdem ich mir nicht die Zähne geputzt, aber einen Schlafanzug angezogen hatte. Auch auf eine Zahnspange hatte ich heute keine Lust, deshalb schlief auch die heute unter meinem Kopfkissen.